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Freitag, 31. Mai |
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Ein neuer Tag in der schwül-heißen Suppe von Oklahoma. Wie an den beiden Vortagen riss der Zustrom
feucht-warmer, fast schon feucht-heißer Luft aus Süden nicht ab. Stattdessen stapelten sich bereits
am frühen Vormittag dieses denkwürdigen Tages Instabilitätswerte über 3000 J/kg auf, bis
zum späten Nachmittag sollten sie noch auf über 5000 ansteigen. Dazu positionierte sich eine flache
Westströmung in der Höhe quer über die zentralen Plains, mit 500hPa-Geschwindigkeiten um 50kt.
Das hatte man aber zumindest am Vortag auch gehabt, wo dann relativ wenig passierte abgesehen von ein paar
schwächeren Superzellen. Zwei oft unterschätzte "Kleinigkeiten" sollten heute den Unterschied machen.
Zum einen war mittlerweile wieder eine kräftige EML (elevated mixed layer) von den höher gelegenen
Heizflächen im WSW herangeführt worden, wodurch es wohl diesmal nicht zu der unnötig frühen
Auslösung kommen würde wie an den Vortagen. Dazu gesellte sich die letzte wichtige Zutat, das Bodentief,
wovon sowohl die Helizitätswerte im NE-Sektor als auch die Feuchtkonvergenz profitieren.
Wir starteten von Stillwater, OK und fuhren erstmal gen Westen bis Kingfisher, von wo wir uns zwecks strategisch
besserer Straßenlage noch bis El Reno bewegten, um auch eventuelle Zellen deutlich südlich des
Interstate I-40 noch abfangen zu können. An einer Tankstelle warteten wir eine Ewigkeit auf die
Auslösung, jeweils 4-6 Augen auf Mesoanalyse/Satloop und Himmel gerichtet (einer von 4 Insassen schlief).
Mit uns noch etliche andere Chaser nebst DOW.
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Irgendwann kurz vor 16 Uhr schaffte es dann die zweite Warmluftblase bis ganz oben durchzukommen, während
die erste gen Nordosten raste und verpuffte. Noch einige Minuten spielten wir "Chaser-Mikado", ein Spiel, bei dem
derjenige verliert, der zuerst losfährt. Das DOW hat lange durchgehalten, andere fuhren in fast alle
Himmelsrichtungen ab. Als die beiden Türme direkt westlich kein Absterben mehr andeuteten, fuhren wir raus aus
El Reno, um mehr freie Sicht zu genießen. Schnell erkannte man am Südende der Zellen eine deutliche Meso.
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Wir entschieden uns auf die Südseite des Interstate zu wechseln, um näher an die Meso ranfahren zu können,
welche nun kaum noch nach NE vorankam. Dort angekommen nahmen wir die erste Farmroad nach Westen und stoppten auf
einer Anhöhe als eine kleinere Zelle aus Süden in die bereits massiv verstärkte Superzelle eingesaugt
wurde. Das kannten wir ja schon vom 28.5. nahe Bennington ...
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Aufgrund zunehmender Blitzrate und vor allem Ambossregen fuhren wir weiter nach Süden. Ein paar wenige Meilen
weiter hellte sich die trübe Pampe auf, die Sicht auf die gewaltige Meso wurde besser. Das sollte der
längste Stopp de Tages werden, fast 5 Minuten. Denn nun ging es zur Sache, sowohl die düsenjet-gleichen
Donnerschläge aus dem Amboss knapp hinter uns als auch die nahende Meso nebst kleinem Hagel zwangen uns nach
Südosten.
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Hier trafen wir auf die ersten anderen Chaser. Noch wenige. Mittlerweile war die Superzelle atemberaubend
groß, mit einer grünen Wand gen Norden, wie wir sie in 10 Jahren noch nicht hatten. Die Unterseite
der Meso war nicht mehr so sauber strukturiert, stattdessen wirbelten nun etliche Frakti an ihr entlang. Nur
wenige Sekunden nach dem A-Team-gleichen Aussteigen aus dem Van erfolgte der erste Touchdown eines kleineren
Tornados. Genauer gesagt waren es mindestens zwei, man sah sie alle paar Sekunden eben nur als einen. Sollte das
nun schon der erste Multivortex sein?
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Mehrere Touchdowns später drängten wir erneut auf Rückzug, das Vieh kam bedrohlich näher
(nicht so bedrohlich für uns wie für andere Chaser). Das Hauptproblem waren vorerst "nur" die
Naheinschläge knapp nördlich im Hagel, allerdings schien auch die Zelle selbst nun Fahrt gen Osten
aufnehmen zu wollen.
Nach einer knappen Meile weiter im Osten kamen uns mehr und mehr Chaser ENTGEGEN, während wir bereits davon
fuhren. Der nächste Stopp offenbarte einen Cone-förmigen Tornado, tief im Niederschlag drin, mit nur noch
wenig Kontrast. Die Sicht auf die Meso war diffus und schlecht, also hieß es nochmal weiter gen Osten. Diese
Etappe sollte sich später als der Schlüssel herausstellen, nicht alle Autos in der Gegend schafften es
noch hier raus...
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Unser gewohnter Fahrer fand die ideale Mischung aus deutscher Konsequenz und Geschwindigkeit sowie amerikanischer
Vorsicht, wodurch wir vergleichweise gut an den teils trödelnden, teils tranigen und teils chaotisch agierenden
anderen vorbeikamen. Geschlagene 15min (!) wuchteten wir uns geradeweg nach Osten, im Rückspiegel die dunkle
Meso mit einer deutlichen Andeutung eines Wedge-Tornados zuweilen. Wir kamen nun zur Kreuzung mit dem Highway 81
nach Süden. Hier stand die Wahl noch kurz auf Süd zu fahren - wurde verworfen, eine fabelhafte Entscheidung
wie sich erst einen Tag später rausstellen sollte.
Irgendwann schlug dann Karsten beim Blick nach hinten Alarm, man müsse dringend einen Fotostopp einlegen. Was
soll man es sagen? Es war gerechtfertigt. Das HP-Biest hatte eine krasse grünliche Farbe bekommen dank Streuung
in der Hagelwand und glänzte zudem mit extrem laminarer Meso oberhalb der rauhen Unterseite, die wir nicht sofort
als Wedge-Tornado wahrnahmen. Sicher ganz vorne dabei, wenn es um die SChaPLe-interne Strukturrangliste geht (auch
ohne Tornado). Eine aufgeregte Anwohnerin im Pickup fragte uns noch, ob sie denn sicher nach Norden fahren könne,
davon haben wir ihr dann abgeraten.
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Die folgenden 5 min sollten schon wieder eine wichtige Entscheidung beinhalten. Da die Metro-Area von OKC nun
näher kam und gen Osten fast nur noch der I-40 zur Wahl stand, entschieden wir uns schnell für die
Südoption gen Mustang auf dem Highway 4, um der Meso auszuweichen und eventuell noch einer zweiten Meso im
Nachlauf einen Besuch abstatten zu können. Auf dem Weg nach Mustang wurde die tiefnächtliche Südseite
des Kerns sichtbar, während im SW noch die Sonne durchlugte.
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Wir kamen gut voran und schienen im Plan. Mittlerweile hatten wir auch wieder Internet und somit Radar.
Marcus vermeldete eine gigantische Meso, die auf Süd-OKC zuziehen könnte.
Wir gingen davon aus, dass die Südost-Route über den Westrand des Airports bis nach Norman machbar sein
sollte. Allerdings hatten wir hier eine kleine Sache unterschätzt. Der Feierabendverkehr war zwar vorbei, aber
wohl aufgrund der letzten Ereignisse in Moore flüchteten anscheinend hunderte Anwohner gen Süden über
die Interstates I-44 und I-35. Dadurch gerieten wir in zähflüssigen Verkehr, erneut auch dadurch verursacht,
dass an den 4-way-Stopps praktisch jeder vorbildlich 2 Sekunden anhielt, obwohl keiner irgendwo anders herkam. Wir
nahmen deshalb die schnellste Route quer durch Moore - ein grotesker Anblick in Anbetracht der Tatsache, dass wir
gerade vor einer Tornado-produzierenden Superzelle ... ja, flüchteten. Das ging recht reibungsarm, die
Straßen waren fast frei. Trotzdem schaurig irgendwie...
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In den Außenbereichen von Norman angekommen stellten wir nun fest, dass unsere Südroute über den
I-35 auch mit Rückstau zugestellt war. Im Radio drangen die ersten Berichte aus OKC herein, die von massiven
Schäden durch Flooding aber auch von extremer Rotation im Sturm knapp nördlich von uns berichteten.
Glücklicherweise machte das Radar Hoffnung, dass wir nur den Südrand mit Hagel abbekommen würden.
Aber die Vorstellung, von so einem Monster im Stau überrollt zu werden, war nicht allzu verlockend.
Im Endeffekt passierte dann (für uns) zum Glück nicht viel, außer starkem Regen und ein bisschen
Wind bekamen wir nichts ab, das Rotationszentrum ging abermals durch Moore, d.h. deutlich nördlich an uns vorbei.
Soweit fast alles richtig gemacht, wobei man auch in Mustang straight nach Süden hätte fahren können,
vermutlich ohne Stau. Check.
Für andere ging es an diesem Tag weniger glimpflich aus. Genauer gesagt kam es deutlich früher, also zu der
Zeit als wir unsere besten Bilder aus der Entfernung schossen, zu einer der größten Verwicklungen zwischen
Tornado und Chasern in der Geschichte. Einige der Chaser, die es sehr gern sehr nah versuchen, sowie vermutlich auch
ein paar unfreiweilig Beteiligte schafften es nicht mehr von der Farmroad zu kommen, die auch wir passiert hatten. Dabei
sind erstmals drei erfahrene Stormchaser ums Leben gekommen (unter ihnen Tim Samaras, der einigen ein Begriff sein
müsste). Anscheinend kam es zu einem Stau an einem der 4-way-Stopps. Darüberhinaus erschwerte eine spontane
Straßensperrung der lokalen Cops (warum auch immer) die Escape Route nach Süden (Highway 81). Vor allem aber
das Ausscheren des Tornados nach Norden, inklusive beschleunigter Horizontalgeschwindigkeit scheint selbst den
erfahrenen Chasern im Bears Cage diesmal zum Verhängnis geworden zu sein. Es sei nachträglich erwähnt,
dass der El Reno-Tornado ein EF5-Rating bekommen hat und außerdem als einer der breitesten Tornados in die
Geschichte eingehen wird, wohl auch deshalb weil die komplette Wallcloud bis zum Boden reichte. Wir bereuen deshalb
nicht unsere Entscheidung, alles von weiter weg anzusehen, man hält sich ja doch gern mindestens eine
Hintertür auf.
Es bleibt zu hoffen, dass dieser größere Zwischenfall keine allzu negativen Auswirkungen auf das
Stormchasing an sich haben wird, auch wenn sicher ein Umdenken bei etlichen Beteiligten notwendig sein wird.
Die zunehmende Anzahl Chaser, die auf Aufmerksamkeit mithilfe von "Close-up" und "Insane"-Videos aus sind und extrem
nah ranfahren (das gilt auch für etliche Profis, die es besser wissen sollten), konterkarieren den eigentlich
Zweck des Stormchasens und helfen nicht unbedingt, das Bild der Community in der Öffentlichkeit zu verbessern.
In der Hoffnung, dass die Amerikaner mit diesem Spagat aus Enthusiasmus für und Bedrohung durch
Tornado(superzellen) umgehen können, verabschieden wir uns (fast) wertfrei von diesem Ereignis.
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